Max Mannheimer

6. Februar 1920 – 23. September 2016

Zum Tod von Max Mannheimer gibt es bereits zahlreiche Veröffentlichungen, die sich mit seinem Leben und Wirken befassen. Hier sollen ein paar grundsätzliche Aspekte im Zusammenhang mit dieser Ausnahmeerscheinung erörtert werden. Und es gibt die Gelegenheit, Max Mannheimers Rolle im Rahmen der Aufgaben, die sich der BWV Bayern gestellt hat, näher zu beleuchten. Ebenso die politischen Aspekte seines Wirkens.

 

Zuallererst: Max Mannheimer war der lebende Beweis, dass Hitler und seine Schergen, dass das nationalsozialistische Deutschland das wesentliche Ziel, die Juden auszurotten, nicht erreicht haben. Und zwar in einem doppelten Sinne:

° Mit Israel wurde nach der Verfolgung und dem Zweiten Weltkrieg der Staat geschaffen, der als sicherer Hafen für die in der Diaspora Lebenden und Gestrandeten fungierte und sich bis heute aller Anfeindungen erwehren konnte.

° Mit dem Aufbau der Bundesrepublik - dank westlicher Hilfe - zu einer geläuterten Demokratie wurde ein Zeichen gesetzt, dass ein verblendetes, verführtes Volk in der Lage ist, ein verbrecherisches System hinter sich zu lassen und sich zu „heilen“.

Für diese Heilung aber war es eminent wichtig, dass Aufklärung über die Geschehnisse der NS-Zeit betrieben wurde. Und wer hätte dies besser können als die Opfer, die die Hölle des SS-Staates mit Glück und Lebensmut überlebt haben. Max Mannheimers Entschluss, diesem Land nicht den Rücken zu kehren, sondern in ihm zu wirken, kann nicht hoch genug für die Entwicklung der deutschen Demokratie in Freiheit und Recht geschätzt werden. Er steht damit stellvertretend für eine Generation von Zeitzeugen, die uns nun langsam verlassen und in der er einer der herausragenden Vertreter war.

„Freiheit und Recht“ - so heißt auch das Organ des Bundes Widerstand und Verfolgung Bayern, den Mannheimer 2004 zusammen mit Bertold Kamm, Dr. Ernst Raim, Jürgen Maruhn, Friedrich Schreiber, Linda Malik, Eva Hoegner u.a. als Landesverband des von der Sozialdemokratin und langjährigen Präsidentin des Deutschen Bundestages Annemarie Renger aufgebauten Zentralverbandes Demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenorganisationen gründete.

In dessen erster Satzung von 2004 schon wurde das Anliegen, das Max Mannheimer in seinem „Dritten Leben“ antrieb, sichtbar: „Die Erinnerung an Widerstand und Verfolgung in der Epoche der Diktaturen des 20. Jahrhunderts lebendig halten und das Erbe der Widerstandskämpfer und Verfolgten bewahren und pflegen“, „Eintreten für Demokratie und Kämpfen gegen antidemokratische, totalitäre oder extremistische Tendenzen, gegen Diskriminierung von Menschen, insbesondere gegen Rassismus und Antisemitismus“.

Kann ein Programm moderner sein? All denen, die Erinnerungsarbeit auf Historie reduzieren und sich auf Pflege von Denkmälern - so wichtig auch diese Aufgabe ist - beschränken wollen, hat Mannheimer damit zwar keine Absage erteilt, aber etwas darüber Hinausgehendes gelehrt: Die Lehre aus Auschwitz muss sein, sich sowohl der Opfer von damals anzunehmen als auch heute die stets gefährdete Rechtstaatlichkeit und Demokratie kämpferisch zu bewahren und zu stärken. Dabei gilt es, die parallel und nach der Zeit des Nationalsozialismus herrschenden verbrecherischen Systeme und Diktaturen anzuprangern und sich auch deren Opfer anzunehmen, vor allem auch die nach wie vor vorhandenen Tendenzen des Antisemitismus jeder Couleur aufzudecken und durch Überzeugungsarbeit und Bildungsvermittlung zu versuchen, ihnen den Boden zu entziehen. Max Mannheimer verkörperte für viele Menschen die Erinnerungsarbeit in Bayern und in Deutschland.

Nun war der Weg, den Max Mannheimer einschlug, als er sich entschied, im Land der Täter zu bleiben, als er die herkulische Arbeit anging, in diesem Land für eine neue Aufklärung zu werben, alles andere als selbstverständlich. Was es für ihn und allgemein für Zeitzeugen bedeutet, was es bei ihnen auslöst, wird deutlich, als er sagte: "Meine ersten Vorträge konnte ich nur mit Tabletten durchstehen. Die Stelle in meinen Erinnerungen über den Tod meines Bruders konnte ich am Anfang nicht selbst vorlesen." Erinnerungsarbeit im Land der Täter war für Zeitzeugen, auch Jahrzehnte nach den mörderischen Ereignissen, eine schmerzliche, für viele übermenschliche Arbeit. Diese Arbeit hat Max Mannheimer in vorbildlicher Weise bis zuletzt und unter Aufbietung aller Kräfte geleistet: Wenige Tage vor seinem Tod wollte er bei den Literaturtagen in Bad Aibling eine Lesung halten mit dem Thema „Ich lebe“.

Nun ist seine Stimme erloschen. Dies aber bedeutet Auftrag und Erbe für alle, die seinen Überzeugungen nahestehen, seine Anliegen weiter zu verfechten. Der Bund Widerstand und Verfolgung Bayern trauert um sein Gründungsmitglied und seinen Ehrenvorsitzenden Dr. h.c. Max Mannheimer in Dankbarkeit vor einem großartigen Menschen, dem Freund und Mitstreiter für Freiheit und Recht, dem herausragenden Vorbild für die Erinnerungsarbeit in Bayern. 

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